Tempelberg

Veröffentlicht auf von yerushalayimshelzahav

Nach einer Führung der muslimischen Gaststudenten durch die Grabeskirche wohnte ich zum ersten Mal der Schließung selbiger bei. In einer mehr oder weniger ausgefeilten Choreografie kamen neben dem Vertreter des Schlüsselinhabers – ein Moslem! – Würdenträger der in der Grabeskirche ansässigen Kirchen. Der Muslim stieg auf eine Leiter, verschloss die Grabeskirche, gab den Schlüssel durch eine Luke und die Leiter durch eine andere Luke nach innen.
Am Mittwoch bekamen wir die einmalige Chance, den Tempelberg zu besuchen. Auf den Tempelberg können Nichtmuslime zwar meistens für wenige Stunden am Tag, aber wir bekamen von der Verwaltung des Tempelbergs (wie alle heiligen muslimischen Stätten hier von der jordanischen Regierung bezahlt) eine Führung auch durch die Al-Aqsa-Moschee (sieht innen fast aus wie die Patriarchalbasiliken in Rom mit ihrer Kassettendecke und den vielen Säulenreihen) und in den Felsendom. Der muslimischen Überlieferung nach zeigte Gott Mohammad ein Land in der Ferne („Aqsa“) und er reiste hier in einer nächtlichen Reise hin. Vom Felsen im Felsendom soll er auch in den Himmel aufgefahren sein.
Beeindruckend ist die tägliche und allgemeine Gebetspraxis der Muslime, die – wie Mönche – 5mal am Tag beten.
Am Freitag haben wir die Kommilitonen und Professoren mit einer Party verabschiedet. Es war auflockernd, bereichernd und trotz viel Programm entspannt. Auf dem, was wir an Gemeinsamem und Verschiedenem herausgearbeitet haben, lässt sich sicher aufbauen.
Ultraorthodoxe Juden laufen Freitag nachmittags und samstags oft in Straßen mit geöffneten Läden und rufen „Shabbat, Shabbat!“ Im Moment macht ein Video die Runde, wie ein säkularer Jude, gekleidet als griechisch-orthodoxer Priester, sonntags in ein ultraorthodoxes Viertel geht und „Sunday, Sunday!“ ruft. In Jerusalem ist alles möglich...
Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, dass jüdische Bäcker eine sehr große und vorzügliche Auswahl an kleinem Gebäck haben? Wenn nicht, dann habe ich es jetzt erwähnt.
Als ich durch das älteste jüdische Viertel außerhalb der Stadtmauern, von 1860, streifte, fühlte ich mich zwischen den kleinen, mit Ränken bewachsenen Häusern wie in Italien. Und eine nach dem Düsseldorfer Kind Heinrich Heine benannte Straße entdeckte ich auch (in Haifa gibt es auch einen Heinrich-Heine-Platz!). Auf dem Rückweg traf ich auf dem Zion zwei Amerikaner, die Jordanien und Israel in zwei Tagen bereist haben und nun den Abendmahlssaal suchten. Es war schön, sie herumzuführen und ihnen noch das ein oder andere Detail zu erklären.
Am Dienstag hielten wir mit einem Rabbiner einen Studientag zum orthodoxen Judentum (dieses hält an der Thorah fest, betrachtet aber nicht alles im Leben als unveränderlich) ab, dabei besuchten wir verschiedene orthodoxe Einrichtungen: Der ultraorthodoxe Rabbi der Jeshiva nebenan wollte uns die Orthodoxie wieder mittels Geschichtchen nahebringen und legte besonders auf die Persönlichkeitsformung durch religiöse Studien wert. In einer Jeshiva, die extra für junge Frauen eingerichtet wurde, erzählte uns eine Lehrerin davon, wie neuartig und innovativ Talmudstudium von Frauen ist. Und im letzten Institut referierte ein Gelehrter über die wissenschaftliche Herangehensweise an die rabbinischen Schriften, ohne dabei den spirituellen Wert komplett zu vernachlässigen.
Nun führt Frau Prof. Neuwirth uns kompetent und zielsicher in den Koran als Text der Spätantike ein.
Am 19. Januar feierten die Ostkirchen Erscheinung des Herrn sowie Taufe des Herrn. Wir fuhren an die Taufstelle Jesu orthodoxer Tradition am Jordan in der Nähe des Toten Meeres, wo die Syrisch-Orthodoxen erst eine Liturgie feierten und dann direkt herunter an den Fluss zogen. Der Fluss ist an dieser Stelle ruhig und flach, hier wird auch der Übergang der Israeliten ins Gelobte Land nach dem Exodus verortet. Eine Dudelsackgruppe spielte und von der anderen, jordanischen Seite nahmen auch einige Gläubige an der Zeremonie teil. Zum Abschluss wurde von jeder Seite dreimal jeweils ein blumengeschmücktes Kreuz in den Jordan geworfen und wieder herausgeholt und weiße Tauben steigen gelassen; von den Blumen ergatterte ich hinterher zwei. Während der Feierlichkeiten sah ich auch viele Menschen in spezielle weiße Gewänder gekleidet, die in den Jordan gingen und zur Tauferneuerung untertauchten.
Als wir zurückkamen, war in Teilen des Beit Joseph – unser Studienhaus, in dem wir wohnen – der Strom ausgefallen. Im Laufe des Nachmittages gingen auch Heizungen und die restlichen Lichter aus. In der Abteikirche gingen die Lichter Ende der Vesper, mit der die Messe begann aus und gingen direkt nach dem Ruf nach dem Evangelium „Lob sei Dir, Christus“ wieder an. Grund war, dass die Stadt zu wenig Strom lieferte – Jerusalem...
Ich entfloh der Dunkelheit des Nachmittages in die Kirche St. Peter in Gallicantu. Hier, am Abhang des Zion, soll in der Nähe des Hauses des Hohepriesters Kaiaphas Jesus gefangen gehalten worden sein und Petrus ihn verleugnet haben, unter der Kirche sind auch verschiedene Grotten zu besichtigen, die möglicherweise das Gefängnis Christi bildeten. Die Kirche ist modern, auf den Resten einer byzantinischen Kirche gegründet und mit vielen Wandmosaiken verziert. Sehr eindrucksvoll ist die gläserne Darstellung Christi in der Kuppel als Weltenherrscher, der alles, auch den Betrachter unten, umfängt.

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