Studieren mit Muslimen

Veröffentlicht auf von yerushalayimshelzahav

Nach den Ferien haben wir mit einem christlich-muslimischen Seminar zur Eschatologie, unserem Jahresthema, begonnen. Ein muslimischer Professor, ein katholischer Dogmatiker und 8 muslimische Doktoranden für Islamwissenschaften sind dafür hierhergekommen. Die eine Seite stellt immer ihre Konzepte vor (das geht innerchristlich nicht immer ohne Diskussionen) - es ist nicht immer ganz leicht, dies in einer Sprache zu tun, die die andere Seite auch versteht – und die andere stellt Rückfragen und so kommen wir in die Diskussion. Auch gemeinsames Fußballspielen ist angesagt, besonders wurde es, als auch noch 3 jüdische Jugendliche kamen und mitspielten.
Freitags Mittags, während des Freitagsgebetes auf dem Tempelberg, sind die Suqs, die engend Einkaufsgassen in der Altstadt, wie ausgestorben, wie man es sonst nur von nachts kennt.
Am Dreikönigsabend begann die Vesper hier bei uns im Studienhaus mit der Segnung unserer Räumlichkeiten, dann zogen wir ins Kloster, wo die Räume auch gesegnet wurden und zum Abschluss aßen Studenten und Mönche zusammen Abend beim Büffet.
In der Nacht vom 6. auf den 7. Januar feierte die orthodoxe Christenheit ihr Weihnachtsfest, denn ihr nicht-reformierter Kalender ist 13 Tage hinter unserem. Wir fuhren nachts nach Bethlehem mit Taxen (irgendwie funktioniert es immer...). Den letzten Teil in die Stadt liefen wir zu Fuß, so kamen wir wie die Drei Weisen aus dem Morgenland in Bethlehem an, da es uns in der Heiligen Nacht ja nicht vergönnt gewesen war. Die Beleuchtung an den Häusern zeugt von großer Kreativität und Hang zu grellen Farben. Der Platz vor der Kirche war wegen des großen Andrangs abgesperrt, aber nach einiger Zeit fanden wir doch einen Weg rein. Die Griechen feierten im Hauptschiff der Geburtskirche ihre Liturgie, an einem Nebenaltar zur gleichen Zeit die Kopten und die Syrer. Sitzplätze gibt es keine, deshalb war es etwas wuselig, aber die Gesänge und roten Gewänder der Kleriker verwandelten es doch in eine wohlige Atmosphäre.
Ich besuchte auch das sog. Gartengrab. Vom biblischen Bericht her gibt es viele Übereinstimmungen mit dem Grab Jesu, auch wenn niemand weiß, ob das hier verehrte Grab wirklich das Grab Jesu war. Aber ich bekam eine Vorstellung davon, wie so ein Grab und auch wie so ein Garten damals ausgesehen hat. Die Atmosphäre des Ostermorgens ist hier sehr deutlich spürbar.
Bei einem Besuch in einem armenischen Restaurant stellte ich fest, dass die Armenier sehr gerne und viel Fleisch essen.
Von Sonntag bis Montag waren wir im Negev unterwegs. Diese Wüste im Süden Israels bedeckt 60% des Staatsgebietes und ist auch Manövergebiet für die Luftwaffe. Wir hielten zuerst in Shivta und Avdat, zwei nabatäische Ruinenstädte aus der Zeit um 0, in denen es relativ gut erhaltene Kirchen gibt und wo früher mit ausgeklügelten Systemen auch Landwirtschaft betrieben wurde.
Wir wanderten außerdem durch einen Canyon – eine atemberaubende Landschaft, so wie der ganze Negev mit seinen hohen, schroffen Felsformationen und den weiten steinigen Ebenen. Einen weiteren Zwischenstopp legten wir am Rand eines Kraters ein: Der Ramon-Krater misst 40 km im Durchmesser, ist natürlich entstanden und geht steil in die Tiefe. Ich wiederhole mich gern: Atemberaubend!
Unser Nachtquartier war im Kibbuz Keturah, unmittelbar an der jordanischen Grenze. Kibbuzim entstanden schon mit den ersten Juden, die hierhin kamen. Ziel ist die Verwirklichung des sozialistischen Ideals in einer Genossenschaft, in der alle das gleiche erhalten. Wir aßen in der Mensa, in der alle Bewohner (ca. 500, davon 150 erwachsene Mitglieder) essen. Ein paar Eindrücke und Sachen, die uns ein Schweizer dort erzählte: Ziel der Kibbuzim, die oft aus militärischen Siedlungen entstanden sind, war die Besiedlung und Fruchtbarmachung der Wüste. Obwohl in der Wüste gelegen, gelingt es dem Kibbuz, gute Landwirtschaft zu betreiben und das Areal zu begrünen: Viehzucht, grüne Energie, Landwirtschaftsschulen, in denen Jordanier, Palästinenser und Juden gemeinsam lernen.
Die Grundbedürfnisse von allen werden durch das, was gemeinsam erwirtschaftet wird, gedeckt, Problem ist natürlich, dass das, was kostenlos ist, nicht die gleiche Fürsorge erfährt wie etwas, das kostet.. Zur freien Verfügung hat ein Alleinstehender 150 Euro pro Monat. Die Hälfte der Mitglieder arbeitet außerhalb des Kibbuz, die Löhne kommen aber in die gemeinsame Kasse. Heute suchen die Menschen, die herkommen, vor allem eine geschlossene Gesellschaft mit Beziehungen, die sie in den Städten nicht mehr haben. Die Selbstverwaltung geschieht in Komitees mit verschiedenem Arbeitsschwerpunkt. Dieser Kibbuz ist weder säkular noch religiös, gemeinsame Sachen werden aber entsprechend der rabbinischen Lehre festgelegt und durchgeführt.
Montags fuhren wir unter der Leitung einer jungen Frau aus dem Kibbuz in Sanddünen. Nach einer kurzen, barfüßigen Wanderung tollten wir uns erst mal im Sand aus. Danach folgten 40 Minuten in Stille und Einsamkeit. Mir kamen immer wieder Psalmverse in den Sinn, die die große Schöpfertat Gottes preisen, denn hier in der Wüste erfährt der Mensch, wie klein er und wie groß der Herr ist: „In seiner Hand sind die Tiefen der Erde, sein sind die Gipfel der Berge. Sein ist das Meer, das er gemacht hat, das trockene Land, das seine Hände gebildet.“ (Ps 95,3f.). An einer Straße, die dadurch führt, erwarteten uns zwei andere Leute aus dem Kibbuz mit Getränken und Essen. Wir formten und brieten unsere Pitas selbst. Zum Abschluss der Exkursion fuhren wir nach Timna. Hier wurde schon vor 6000 Jahren Kupferbergbau betrieben. Die bizarr geformten Felsen schimmern rötlich in der Sonne, man findet auch noch Inschriften aus ägyptischer Zeit.

 

Nun ist schon der 10. Januar - am 10. April fliege ich wieder nach Deutschland.

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