Karneval, Fastenzeit und viele Vorträge

Veröffentlicht auf von yerushalayimshelzahav

Am Karnevalssamstag gab es eine Faschingsparty, die von einem deutschen Franziskaner organisiert wurde. Bis auf 10 Minuten, in denen Rheinländer für die Musik verantwortlich waren, war die Musik so unkarnevalistisch wie ihr Name, was auch daran lag, dass viele Nichtdeutsche, inklusive Juden, dort waren.
Die Messe am Sonntag Morgen wurde auch von einer Pilgergruppe besucht, in deren Reihen Schwerhörige waren, sodass eine Dolmetscherin die Messtexte in Gebärdensprache übersetzte.
Im Moment hören wir Vorlesungen über das johanneische Schrifttum und von Jan Assmann, einem bedeutenden Ägyptologen über Eschatologie im Alten Ägypten.
Wir fuhren in die nördliche Westbank und setzten uns dort mit dem Phänomen israelischer Siedlungen auseinander, die von der Regierung teils geduldet, teils gefördert, auf jeden Fall aber beschützt werden. Einige Siedlungen entstehen an vermeintlichen biblischen Orten, andere an strategisch bedeutsamen Punkten. Straßen aus arabischen Dörfern werden zugeschüttet, andere Straßen sind nur für Siedler zu benutzen. Eine ökumenische Organisation, die das Leben in der Westbank beobachtet, erzählte uns, dass „Outposts“, also einzelne Häuser von Siedlern, oft auf dem Gebiet gebaut werden, das drei Jahre zuvor zu Militärgebiet erklärt und damit den Palästinensern unzugänglich gemacht worden ist u.Ä.. Auch von Angriffen von Siedlern auf Bewohner von Dörfern zwischen zwei Siedlungen und Gegenangriffen wurde uns erzählt. Wir besuchten z.B. die Siedlung Ariel mi ihren mittlerweile 19.000 Einwohnern. Sie ist so an das Kernland angeschlossen, dass sie nicht mehr direkt als Siedlung in besetztem Gebiet zu erkennen ist. Hier werden auch richtige Stadttore wieder modern und notwendig.
Die Woche war voller Vorträge:
Am Dienstag Abend besuchte ich einen Vortrag im Österreichischen Hospiz von einer Auschwitz-Überlebenden aus Krakau – welch Kontrast! Sie erzählte von den immer größer werdenden Einschränkungen im Leben, den Verlusten von Haus, Großeltern und Mutter, der ständigen Angst, dann auch der Verlust des Vater, der Deportation mit ihrer kleinen Schwester nach Auschwitz, der Arbeit dort, dem Hunger auf dem Todesmarsch nach Süddeutschland und der Trauer nach der Befreiung, als man merkte, was man alles verloren hat. Eine bewegende Erzählung.
Am Abend danach besuchte uns auf Initiative und Wunsch von Studenten der Pastor einer jüdisch-messianischen Gemeinde in Jerusalem und erzählte über seine Gemeinde. Es war interessant zu hören, dass diese Juden Jesus von Nazareth als ihren Messias anerkennen, in der Christologie und Liturgie den christlichen Kirchen nahe sind, aber trotzdem jüdische Feste feiern und einige Gemeinden auch die rabbinischen Gesetze beachten.
Prof. Assmann sprach außerhalb des Vorlesungsprogramms Händels Belsazar und die darin ausgedrückte Eschatologie.
Der Vater einer Kommilitonin, Rechtsanwalt am Bundesgerichtshof, sprach über das Verhältnis von göttlichem und menschlichem Recht.
Der Donnerstag begann um 6.15 Uhr mit dem Besuch der Liturgie im russisch-orthodoxen Maria-Magdalena-Kloster auf dem Ölberg. Nachdem man uns zuerst für Touristen hielt und nicht hinein lassen wollte, gaben wir uns als Theologie-Studenten der Dormitio, die an der Liturgie teilnehmen möchten, zu erkennen und wurden hereingelassen. Zufällig sang an diesem Tag ein Chor aus St. Petersburg in der Liturgie und verschönerte sie sehr. Auch den Zahnarzt, mit dem wir letztens Fußball spielen waren, trafen wir dort zufällig.
Nach der Vorlesung fuhren wir zu zweit nach Ein Karem, dem Geburtsort Johannes des Täufers. Um 12 Uhr kamen wir an, die Geburtskirche von Johannes schloss gerade. Als wir sagten, dass wir von der Dormitio sind, erinnerte sich der Franziskanerpater, ehemaliger Provinzial der irischen Provinz, sogar noch an das Ständchen, das wir Abt Gregory bei seiner Benediktion dargebracht haben und führte uns durch die leere Kirche und das Kloster. Auch Tipps für einen Jordanien-Trip konnte er geben. Dann rief er noch einen österreichischen Pater, den wir kennen, in der Kirche an, die am Ort des Besuchs von Maria bei Elisabeth steht, sodass wir auch dort eine Privatführung bekamen. Großartig! Die Kirchen anzusehen, war schön. In der Geburtskirche ist das Benedictus, der Lobgesang des Zacharias, des Vaters von Johannes, in vielen verschiedenen Sprachen aufgeschrieben, in der Visitationskirche das Magnificat, welches Maria bei ihrem Besuch bei Elisabeth sang. Auf dem Rückweg hatten wir das Glück, dass uns ein junger Mann im Auto ein Stück mitnahm. Ganz entspannt packte er vier Leute in sein Auto.
Auf dem Rückweg ging ich – entgegen meiner Gewohnheit und meiner Vorliebe – durch das armenische Viertel zum Zion. Prompt traf ich einen Mönch aus Abu Ghosh, der mich nochmals dorthin einlud, und hörte eine deutsche Touristengruppe, die sich verlaufen hatte und der ich behilflich sein konnte. Das könnte echt mein Hobby werden!
Am Freitag gab es trotz Fastenzeit Süßigkeiten: Unser Koch ist zum zweiten Mal Vater geworden – alles Gute!
An diesem Tag beteten wir um 15 Uhr unsere erste, selbstgestaltete Passionsandacht. Fastenzeit heißt dieses Jahr auch, dass es unaufhaltsam auf das Ende meines Jerusalem-Aufenthaltes zugeht.

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren:
Kommentiere diesen Post