Lesetagebuch der Benediktsregel – Inhalt und Reflexion

Veröffentlicht auf von yerushalayimshelzahav

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http://www.kloster-ettal.de/BenediktvonNursia/sites/regula/vitabenedicti_rb_kapuebersicht.html

 

Einleitung

Bevor ich die Regel selbst überhaupt las, erlebte ich die erste Überraschung und Ernüchterung: Über das Leben Benedikt von Nursias ist nicht vieles historisch gesichert, und die älteste erhaltene Regel stammt aus dem frühen 9. Jh. aus dem fränkischen Reich, für welches sie wahrscheinlich auch angepasst worden war. Ihren Siegeszug hatte sie nach einigen Jahrhunderten in der Versenkung durch einige wichtige Personen, die sie förderten, antreten können.

Wie alle Mönchsregeln aus der Spätantike und der frühen Neuzeit, ist sie aus verschiedenen vorherigen Regeln zusammengesetzt worden und keineswegs eine Neuschöpfung.

Immer wieder kam es zu Bewegungen der Rückbesinnung, so in Cluny, der großen Abtei in Burgund, und besonders unter Bernhard von Clairvaux, der den gerade entstandenen Zisterzienserorden förderte (Zisterzienser sind ein wenig strenger und leben nur von ihrer Hände Arbeit, wie ich es auch in Abu Gosh kennengelernt habe).

 

Prolog

Grundanliegen ist dem Verfasser, den Mönch durch Gehorsam, Arbeit und gute Werke vom Bösen abzuhalten und so Gottes Barmherzigkeit über ihn zu bringen. Mir scheint, es geht stark um die persönliche Heiligung.

 

1. Kapitel: Mönchsgattungen

Benedikt spricht sich für die „stabilitas loci“ (die lebenslange Bindung an ein Kloster) und eine feste Regel aus.

 

2. Kapitel: Der Abt

Er ist Stellvertreter Christi im Kloster und für das Seelenheil der ihm Anvertrauten verantwortlich. Dafür muss er vor Gott Rechenschaft ablegen. Bei wichtigen Dingen soll er den Rat der Mitbrüder einholen (so wirkt jeder Einzelne mit), der ihn aber nicht bindet (Kapitel 3).

Dies scheint mir ausgewogen – viele Pflichten, eine hohe Verantwortung, die es aber auch durch Rechte durchzusetzen gilt. Die Rechenschaft, die er Gott schuldet, wird den Abt zu nicht-egoistischen Entscheidungen veranlassen.

 

Kapitel 4: Die 72 Werkzeuge geistlichen Lebens

Hier finden sich viele gute, sinnvolle und ersichtliche Gebote für ein gutes Leben, die auch für die weiteren Kapitel relevant sind.

Was mich befremdet, ist, dass er die Erfüllung des Mönchs im Kloster sucht – in der lebenslangen Gemeinschaft mit den Mitbrüdern soll er die Feinde lieben, nicht zürnen etc.. Wäre das nicht auch gut im Kontakt nach außen? Das Außen übergeht Benedikt leider viel. Aber ohne Außenkontakt ist das Leben auch kein Zeugnis für die Welt. Selbstheiligung muss sein, aber man kann ja nicht bloß dabei stehen bleiben und nur sein eigenes Heil im Sinn haben.

 

Kapitel 5: Der Mönch soll sich im Gehorsam gegenüber dem Abt üben.

Da dieser Stellvertreter Christi im Kloster ist, macht dies auch Sinn. Und der Abt ist schließlich Gott verantwortlich, da wird er die Gehorsamspflicht nicht leichtfertig ausnutzen.

Oft wirkt es hier aber so, als ob Benedikt den Weg des Mönchtums als einzigen Weg auf dem schmalen Pfad zum Leben ansieht – bedenklich.

 

Kapitel 6:

Benedikt spricht sich für Schweigen und gegen Lachen aus. Dass man nicht schwatzen und albern sein sollte, leuchtet mir ein. Aber als Mensch ist man nun mal Beziehungswesen und das Leben schenkt Freude und Fröhlichkeit, da sollte man auch lachen, finde ich.

 

Kapitel 7: Demut

In Gehorsam und der Meidung der Sünde (hier werden die Kapitel 4-6 an verschiedenen Stellen als Basis aufgegriffen) soll der Mönch die 12 Stufen der Demut empor klettern, sodass er die Gebote schließlich aus Liebe und nicht aus Furcht vor Strafe erfüllt.

Das Stufenmodell ist natürlich etwas statisch. Und dass die 12. Stufe im ständigen Niederblicken ob seiner Sünden besteht, ist auch nicht leicht nachvollziehbar.

 

Kapitel 8-20: Vom Gebet

Die Bestimmungen sind sehr detailliert, sogar die Psalmodien für jede einzelne Gebetszeit sind festgelegt. Es wird jedoch dem Abt anheim gestellt, ob er nicht ein für sein Kloster besseres System hat.

Einiges der Bestimmungen hat sich bis heute erhalten (auch im römischen Stundengebet, das ein wenig anders aufgebaut und weniger umfangreich ist), einiges ist auch geändert worden. Früher waren die Horen noch umfangreicher. Aber wie früher, so wird auch heute noch darauf geachtet, dass in jeder Woche alle 150 Psalmen gebetet werden. Dabei werden auch die Verse, die Paul VI. für das Brevier nach dem Konzil strich (jene Verse, die die Gewalt Gottes gegen die Frevler beschreiben), gebetet.

Rein äußerliches, gesprochenes Gebet reicht Benedikt aber nicht, auf das Innere kommt es an.

Wenn sich jemand fragt, warum Mönche immer so früh aufstehen müssen: Die Laudes müssen zu Tagesanbruch gebetet werden.

 

Kapitel 21: Bei einer größeren Anzahl an Mönchen sind Dekane zu bestellen, die über kleinere Gruppen (10 Mönche) die Aufsicht führen. Sinnvoll und logisch.

 

Kapitel 22: Es soll in einem Raum geschlafen werden, mit Kleidern, sodass man sofort zum Gebet eilen kann.

 

Kap 23-30: Verfehlungen und Strafen

Wer sich vergeht – gegen Regel, den Nächsten, beim Gebet nachlässig ist - soll bestraft werden: Ermahnung, Zurechtweisung, Züchtigung, Ausschluss sind hier vorgesehen, Knaben soll man besonders streng beaufsichtigen.

 

Kapitel 31-57: Die Dienste und Organisation des Klosters

Der Cellerar (Verwalter) soll alles sorgsam verwalten, weder freigiebig noch geizig. Für Kleiderkammer u.Ä. gibt es je einen Verwalter, der Abt führt eine Inventarliste. Privateigentum sowie die Annahme von Geschenken ist den Mönchen untersagt. Jeder bekommt, soviel er braucht (Gerechtigkeit ist nicht Gleichheit). Kranke, Alte und Kinder sind zu umsorgen. Bei den Mahlzeiten (jeder hat mal Küchendienst) ist Maß zu halten, an manchen Tagen wird teils gefastet. Immer wieder wird der Abt zu gut abgewägtem Handeln ermahnt, da er einst Rechenschaft dafür ablegen muss.

Nach der Komplet ist das silentium zu halten. Ich finde es beeindruckend, wenn mit dem letzten Ton des marianischen Antiphon nach der Komplet Stille einkehrt und diese erst morgens durch das „Herr, öffne meine Lippen, damit mein Mund Dein Lob verkünde.“ gebrochen wird.

In Kapitel 48 erfolgt dann die Ermahnung zur täglichen Handarbeit, da „Müßiggang der Feind der Seele“ ist.

Wer auf Reisen ist, muss trotzdem das Gebet verrichten, nach Möglichkeit soll aber Gebet und Essen im Kloster geschehen. Wer wiederkommt, soll nichts von draußen erzählen, denn dies stellt angeblich eine Gefahr für die Seelen dar.

Außer dem Abt darf niemand mit den Gästen verkehren, der Abt dafür aber umso herzlicher, denn Gastfreundschaft wird groß geschrieben, wie auch ich schon erfahren habe.

 

 

Kapitel 58-61:

Die Aufnahme ins Kloster, von Novizen, Priestern und Knaben ist auch klar geregelt, vor Voreiligkeit wird gewarnt.

 

Kapitel62-66: Die Rangordnung im Kloster

Wer vom Abt zum Priester auserkoren wird, soll dieses Amt in Demut erfüllen, einen höheren Rang beschert es ihm nicht, dafür ist immer noch das Ordensalter entscheidend bzw. ob jemand Dekan, Prior u.Ä. ist.

Der Abt wird von der ganzen Gemeinschaft gewählt, bei unheiligem Wandel kann er abgesetzt werden. Benedikt betont die Bürde des Amtes und die Verantwortung, sodass bei allem, was der Abt tut, Klugheit und Maß von Nöten sind (dies zieht sich durch die ganze Regel). Der Abt ernennt den Prior (würde der Prior von außen gewählt, wäre er u.U. hochmütig ggb. dem Abt), der mehr oder weniger für das tägliche Leben im Kloster verantwortlich ist und den Abt vertritt.

Das Kloster ist so anzulegen, dass alles (Landwirtschaft, Handwerk) innerhalb der Klostermauern gelegen ist und geschehen kann. Immer wieder merkt man die Angst vor der „bösen“ Außenwelt.

 

Ab hier folgen Nachträge, besonders zu erwähnen ist das letzte Kapitel, Kapitel 73: Was hier geschrieben steht, genügt nicht zu vollkommenem Lebenswandel, dafür sollen auch die Schriften der Kirchenväter studiert werden.

 

Fazit

Da die Regel aus einer anderen Epoche ist, kann sie heute wahrscheinlich nicht mehr eins zu eins umgesetzt werden. Wie will man sich heute komplett von der Welt abgrenzen? Das tun die allerwenigsten, prominentestes Beispiel ist der Kartäuserorden. Die Grundstruktur ist aber die gleiche geblieben und vieles, was geschrieben steht, zeugt von zeitloser Weisheit, besonders was die Leitung und das Zwischenmenschliche angeht. Es bewahrt auch vor Hybris und ermahnt den Menschen zur Demut, selbst wenn er Abt ist. So erfahre ich es auch hier.

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